Archiv - Nachrichten aus dem Würmtal
"Es rührt sich was!" im Buchheim Museum
„es rüht sich etwas“

Museumsgründer Lothar-Günther Buchheim wollte immer ein Museum, in dem sich „etwas rührt“.
Damit meinte er nicht nur, dass Menschen ins Haus strömen sollten. Über 70.000 sind es bereits in diesem Jahr. Auch in Sachen Kunst sollte es in Bewegung bleiben. 1986, als gerade der Versuch gescheitert war, sein Museum der Phantasie in Duisburg anzusiedeln, erklärte er sehr genau, wie er sich das vorstellte: „Das ganze Duisburger Unternehmen war ja nicht als starre Präsentation eines Kunstschatzes, sondern eben — und da kann ich mich nicht genug wiederholen — als ‚leben- diges Museum‘ von mir gedacht. Lebendig“, so Buchheim weiter, „heißt eben auch wachsend ... Meine Sammlung sollte in Duisburg nicht einen Endzustand markieren, sondern sie sollte den An- fang machen.“
Diesem Diktum fühlt sich das Buchheim Museum nach wie vor verpflichtet: Die Sammlung soll wachsen! Im Mittelpunkt steht die historische Sammlung Buchheim. Aber nur durch Konfrontation mit neu Hinzukommendem können frische Sichtweisen auf die eigenen Sammlungsstücke entste- hen, und nur so kann der Blick für weitere historische oder thematische Zusammenhänge geöffnet werden. Das Buchheim Museum ist in der glücklichen Lage, dass dieser Zielsetzung in jüngster Zeit durch quantitativ wie qualitativ hervorragende Hinzuwächse Rechnung getragen werden konnte.
Die Köpfe von Alexej von Jawlensky gehören zu dem Schönsten, das die Porträtkunst des Zwanzigs- ten Jahrhunderts hervorgebracht hat. Von den rund 2.000 Gemälden Jawlenskys behandeln etwa 1.500 das Thema des Gesichtes. Hierbei ist eine stilistische Entwicklung erkennbar. Bei den Bildern aus den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg ist das Abbild des Porträtierten trotz zeichenhafter Verdich- tung und farbsymbolischer Aufladung noch deutlich erkennbar. Prominentes Beispiel hierfür ist Jaw- lenskys »Kopf in Blau« aus der Sammlung des Buchheim Museums. Das 1912, im Jahr von Jawlenskys Beitritt zum Blauen Reiter, entstandene Bild zeigt den androgynen Tänzer Alexander Sacharoff.
Als Jawlensky 1914 aus Deutschland ausgewiesen wurde, zog er mit seiner Malerkollegin und Le- bensgefährtin Marianne von Werefkin zunächst nach Saint-Prex am Genfersee. In diesen Jahren mal- te er immer wieder denselben Landschaftsausschnitt, den er aus dem Fenster seines kleinen Zimmers sehen konnte. Zunächst sind die einzelnen Motive, der See, die Zypresse, das Haus, die Büsche, noch deutlich erkennbar. Doch bald verwandeln sie sich immer mehr in freie Farb- und Formelemente, die Jawlensky als Bedeutungsträger einer metaphysischen Welt ansieht. Zu dieser langen Reihe von Fensterbildern gehört auch die »Variantion« von 1916, die ebenfalls zum Bestand des Buchheim Mu- seums gehört.
Das Buchheim Museum war nun in der glücklichen Lage, dass es mit einem ebenfalls »Kopf in Blau« betitelten Gemälde ein drittes bedeutsames Bildnis Jawlenskys hinzuerwerben konnte. Der Titel weist es als den »Mystischen Köpfen« zugehörig aus. Diese Reihe, die in enger Verbindung zu den »Variationen« steht, hatte Jawlensky 1917 nach dem Umzug nach Wollishofen bei Zürich zu malen begonnen. Der Neuzuwachs entstand jedoch erst 1918, nach abermaligem Umzug nach Ascona am Lago Maggiore, wo Jawlensky bald mit der noch freier ans Werk gehenden Reihe der »Konstruktiven Köpfe« oder »Heilandsgesichter« begann. Als »Heilandsgesicht«, das Jawlensky selbst noch den »Mystischen Köpfe« zurechnete, steht unser Bild zwischen diesen beiden Reihen und ist somit exemplarisch für einen Umbruch. Nie zuvor in der Kunstgeschichte wurden Gesichter in eine derart spielerisch freie Komposition aus Flächen und Farben aufgelöst!
Das Buchheim Museum kann mit den drei Bildern in herausragender Weise Jawlenskys Schaffen in den Münchner und den Schweizer Jahren dokumentieren. Eine Fortsetzung der Porträtreihe mit »Abstrakten Köpfen«, mit denen Jawlensky ein Jahr vor seiner Rückkehr nach Deutschland 1921 be- gann, sowie die späten, in Wiesbaden in den 1930er Jahren entstandenen »Meditationen« bleibt jedoch ein Desiderat für die Sammlung des Buchheim Museums.
Jawlensky ist wohl der spannendste Porträtkünstler des 20. Jahrhunderts. Doch es gibt einen weite- ren Künstler, der ein paar Jahrzehnte später Porträts von nie gesehener Qualität geschaffen hat. Ihn gilt es noch zu entdecken: Holmead!
Geboren 1889 als Clifford Holmead Phillips in Shippensburg, Pennsylvania, gestorben 1975 in Brüssel, lebte der amerikanisch-europäische Künstler als Wanderer zwischen den Welten. Als Autodidakt entwickelte er sich zugleich zum Kritiker und zum Protagonisten der Moderne in Europa und Ameri- ka. Motive seiner anfangs noch impressionistisch, später expressionistisch geprägten Malerei sind Porträts, Landschaften, Stadtansichten und literarische Themen. Holmeads Spätwerk, um das es im Buchheim Museum in der Hauptsache geht, gleicht einem kunsthistorischen Paukenschlag. Nacheiner mehr als 50 Jahre langen künstlerischen Entwicklung, die zwei Weltkriege und einen Schlagan- fall überdauerte, entwickelte er die neue Malweise des »Shorthand Painting«. Mit einigen Spachtel- hieben brachte der greise Maler in wenigen Minuten seine Bilder zielsicher auf den Malgrund. Bei seinen grandiosen Porträts gehen abstrakter und figurativer Expressionismus eine einzigartige Syn- these ein. Der Künstler selbst nennt diese von ihm entwickelte Malweise einen »kruden Expressio- nismus«.
In der Kunsthalle Schweinfurt und dem Von der Heydt-Museum in Wuppertal wurde Holmead in jüngster Zeit euphorisch neu entdeckt. Die vom 16. Juli bis zum 3. Oktober 2017 laufende Präsentati- on im Buchheim Museum wurde aus Leihgaben zusammen gestellt. Ein guter Teil kommt aus der Sammlung von Joseph Hierling, die der Kunsthalle Schweinfurt angegliedert ist. Weitere Privatsamm- ler haben zu der Ausstellung beigetragen sowie die Museen Böttcherstraße in Bremen.
Mit seinem im Spannungsfeld zwischen Abstraktion und Figuration stehenden »kruden Expressio- nismus« steht Holmead dem im Buchheim Museum thematisierten deutschen Expressionismus nahe. Von den Brücke-Künstlern schätzte er am meisten Emil Nolde mit seinen rauschhaft der Natur nach- empfundenen Bildern, dem zeitgleich mit »Nolde. Die Grotesken« vom 23. Juli bis zum 15. Oktober 2017 die große Sommerausstellung im Buchheim Museum gewidmet ist.
Die Holmead-Schau macht Appetit auf etwas, was noch kommen wird. Das Buchheim Museum konn- te zwischenzeitlich die Zustiftung eines großen Konvoluts von Holmead-Werken erwirken, die im kommenden Jahr in einer eigenen Ausstellung zu sehen sein werden. Das Konvolut von 16 Gemälden und zahlreichen Arbeiten auf Papier stammt aus einer Stiftung, die nach dem Tod von Holmeads Frau 1998 dem Künstler zu Ehren gegründet worden war. Zu der Stiftung gehören 16 Gemälde und zahl- reiche Arbeiten auf Papier von Holmead. Diese Holmead Foundation war bislang an der Universität Bremen angegliedert. Da das Werk hier weder erforscht noch ausgestellt werden konnte, wurde nun die Auflösung der Holmead Foundation eingeleitet. Im April 2018 wird dies vollzogen sein. Die Holmead Foundation wird dann in das Buchheim Museum aufgehen. Das Werk dieser bislang noch viel zu wenig gewürdigten, besonderen Malerpersönlichkeit des 20. Jahrhunderts wird dann dauer- haft hier erforscht und gewürdigt werden – und kann im Licht des Expressionismus neu erstrahlen!
Die freilich größte Sensation ist der Zuwachs der Sammlung »Die Maler der Brücke« von Hermann- Gerlinger, die beste und umfangreichste Privatkollektion zur Künstlergruppe Brücke. Das Buchheim Museum hat sie langfristig als Leihgabe erhalten! Mit ihr kann das Buchheim Museum seine Samm- lung zum Thema Brücke auf über 2.000 Werke verdoppeln. Das Haus am Starnberger See kann damit seine Stellung als Hauptmuseum des deutschen Expressionismus mit Schwerpunkt Brücke im Süden Deutschlands weiter festigen. In diesem Herbst wird die Ankunft dieses Schwergewichts mit einer großen Auftaktausstellung gefeiert! Die große Vereinigungsschau »Brückenschlag: Gerlinger – Buch- heim!« mit Hauptwerken aus beiden Sammlungen wird vom 28. Oktober 2017 bis zum 25. Februar 2018 zu sehen sein. Auch danach werden die wichtigsten Werke der Sammlung Hermann Gerlinger den großen Expressionistensaal des Buchheim Museums bereichern.
"Es rührt sich was!" im Buchheim Museum
„es rüht sich etwas“

Museumsgründer Lothar-Günther Buchheim wollte immer ein Museum, in dem sich „etwas rührt“.
Damit meinte er nicht nur, dass Menschen ins Haus strömen sollten. Über 70.000 sind es bereits in diesem Jahr. Auch in Sachen Kunst sollte es in Bewegung bleiben. 1986, als gerade der Versuch gescheitert war, sein Museum der Phantasie in Duisburg anzusiedeln, erklärte er sehr genau, wie er sich das vorstellte: „Das ganze Duisburger Unternehmen war ja nicht als starre Präsentation eines Kunstschatzes, sondern eben — und da kann ich mich nicht genug wiederholen — als ‚leben- diges Museum‘ von mir gedacht. Lebendig“, so Buchheim weiter, „heißt eben auch wachsend ... Meine Sammlung sollte in Duisburg nicht einen Endzustand markieren, sondern sie sollte den An- fang machen.“
Diesem Diktum fühlt sich das Buchheim Museum nach wie vor verpflichtet: Die Sammlung soll wachsen! Im Mittelpunkt steht die historische Sammlung Buchheim. Aber nur durch Konfrontation mit neu Hinzukommendem können frische Sichtweisen auf die eigenen Sammlungsstücke entste- hen, und nur so kann der Blick für weitere historische oder thematische Zusammenhänge geöffnet werden. Das Buchheim Museum ist in der glücklichen Lage, dass dieser Zielsetzung in jüngster Zeit durch quantitativ wie qualitativ hervorragende Hinzuwächse Rechnung getragen werden konnte.
Die Köpfe von Alexej von Jawlensky gehören zu dem Schönsten, das die Porträtkunst des Zwanzigs- ten Jahrhunderts hervorgebracht hat. Von den rund 2.000 Gemälden Jawlenskys behandeln etwa 1.500 das Thema des Gesichtes. Hierbei ist eine stilistische Entwicklung erkennbar. Bei den Bildern aus den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg ist das Abbild des Porträtierten trotz zeichenhafter Verdich- tung und farbsymbolischer Aufladung noch deutlich erkennbar. Prominentes Beispiel hierfür ist Jaw- lenskys »Kopf in Blau« aus der Sammlung des Buchheim Museums. Das 1912, im Jahr von Jawlenskys Beitritt zum Blauen Reiter, entstandene Bild zeigt den androgynen Tänzer Alexander Sacharoff.
Als Jawlensky 1914 aus Deutschland ausgewiesen wurde, zog er mit seiner Malerkollegin und Le- bensgefährtin Marianne von Werefkin zunächst nach Saint-Prex am Genfersee. In diesen Jahren mal- te er immer wieder denselben Landschaftsausschnitt, den er aus dem Fenster seines kleinen Zimmers sehen konnte. Zunächst sind die einzelnen Motive, der See, die Zypresse, das Haus, die Büsche, noch deutlich erkennbar. Doch bald verwandeln sie sich immer mehr in freie Farb- und Formelemente, die Jawlensky als Bedeutungsträger einer metaphysischen Welt ansieht. Zu dieser langen Reihe von Fensterbildern gehört auch die »Variantion« von 1916, die ebenfalls zum Bestand des Buchheim Mu- seums gehört.
Das Buchheim Museum war nun in der glücklichen Lage, dass es mit einem ebenfalls »Kopf in Blau« betitelten Gemälde ein drittes bedeutsames Bildnis Jawlenskys hinzuerwerben konnte. Der Titel weist es als den »Mystischen Köpfen« zugehörig aus. Diese Reihe, die in enger Verbindung zu den »Variationen« steht, hatte Jawlensky 1917 nach dem Umzug nach Wollishofen bei Zürich zu malen begonnen. Der Neuzuwachs entstand jedoch erst 1918, nach abermaligem Umzug nach Ascona am Lago Maggiore, wo Jawlensky bald mit der noch freier ans Werk gehenden Reihe der »Konstruktiven Köpfe« oder »Heilandsgesichter« begann. Als »Heilandsgesicht«, das Jawlensky selbst noch den »Mystischen Köpfe« zurechnete, steht unser Bild zwischen diesen beiden Reihen und ist somit exemplarisch für einen Umbruch. Nie zuvor in der Kunstgeschichte wurden Gesichter in eine derart spielerisch freie Komposition aus Flächen und Farben aufgelöst!
Das Buchheim Museum kann mit den drei Bildern in herausragender Weise Jawlenskys Schaffen in den Münchner und den Schweizer Jahren dokumentieren. Eine Fortsetzung der Porträtreihe mit »Abstrakten Köpfen«, mit denen Jawlensky ein Jahr vor seiner Rückkehr nach Deutschland 1921 be- gann, sowie die späten, in Wiesbaden in den 1930er Jahren entstandenen »Meditationen« bleibt jedoch ein Desiderat für die Sammlung des Buchheim Museums.
Jawlensky ist wohl der spannendste Porträtkünstler des 20. Jahrhunderts. Doch es gibt einen weite- ren Künstler, der ein paar Jahrzehnte später Porträts von nie gesehener Qualität geschaffen hat. Ihn gilt es noch zu entdecken: Holmead!
Geboren 1889 als Clifford Holmead Phillips in Shippensburg, Pennsylvania, gestorben 1975 in Brüssel, lebte der amerikanisch-europäische Künstler als Wanderer zwischen den Welten. Als Autodidakt entwickelte er sich zugleich zum Kritiker und zum Protagonisten der Moderne in Europa und Ameri- ka. Motive seiner anfangs noch impressionistisch, später expressionistisch geprägten Malerei sind Porträts, Landschaften, Stadtansichten und literarische Themen. Holmeads Spätwerk, um das es im Buchheim Museum in der Hauptsache geht, gleicht einem kunsthistorischen Paukenschlag. Nacheiner mehr als 50 Jahre langen künstlerischen Entwicklung, die zwei Weltkriege und einen Schlagan- fall überdauerte, entwickelte er die neue Malweise des »Shorthand Painting«. Mit einigen Spachtel- hieben brachte der greise Maler in wenigen Minuten seine Bilder zielsicher auf den Malgrund. Bei seinen grandiosen Porträts gehen abstrakter und figurativer Expressionismus eine einzigartige Syn- these ein. Der Künstler selbst nennt diese von ihm entwickelte Malweise einen »kruden Expressio- nismus«.
In der Kunsthalle Schweinfurt und dem Von der Heydt-Museum in Wuppertal wurde Holmead in jüngster Zeit euphorisch neu entdeckt. Die vom 16. Juli bis zum 3. Oktober 2017 laufende Präsentati- on im Buchheim Museum wurde aus Leihgaben zusammen gestellt. Ein guter Teil kommt aus der Sammlung von Joseph Hierling, die der Kunsthalle Schweinfurt angegliedert ist. Weitere Privatsamm- ler haben zu der Ausstellung beigetragen sowie die Museen Böttcherstraße in Bremen.
Mit seinem im Spannungsfeld zwischen Abstraktion und Figuration stehenden »kruden Expressio- nismus« steht Holmead dem im Buchheim Museum thematisierten deutschen Expressionismus nahe. Von den Brücke-Künstlern schätzte er am meisten Emil Nolde mit seinen rauschhaft der Natur nach- empfundenen Bildern, dem zeitgleich mit »Nolde. Die Grotesken« vom 23. Juli bis zum 15. Oktober 2017 die große Sommerausstellung im Buchheim Museum gewidmet ist.
Die Holmead-Schau macht Appetit auf etwas, was noch kommen wird. Das Buchheim Museum konn- te zwischenzeitlich die Zustiftung eines großen Konvoluts von Holmead-Werken erwirken, die im kommenden Jahr in einer eigenen Ausstellung zu sehen sein werden. Das Konvolut von 16 Gemälden und zahlreichen Arbeiten auf Papier stammt aus einer Stiftung, die nach dem Tod von Holmeads Frau 1998 dem Künstler zu Ehren gegründet worden war. Zu der Stiftung gehören 16 Gemälde und zahl- reiche Arbeiten auf Papier von Holmead. Diese Holmead Foundation war bislang an der Universität Bremen angegliedert. Da das Werk hier weder erforscht noch ausgestellt werden konnte, wurde nun die Auflösung der Holmead Foundation eingeleitet. Im April 2018 wird dies vollzogen sein. Die Holmead Foundation wird dann in das Buchheim Museum aufgehen. Das Werk dieser bislang noch viel zu wenig gewürdigten, besonderen Malerpersönlichkeit des 20. Jahrhunderts wird dann dauer- haft hier erforscht und gewürdigt werden – und kann im Licht des Expressionismus neu erstrahlen!
Die freilich größte Sensation ist der Zuwachs der Sammlung »Die Maler der Brücke« von Hermann- Gerlinger, die beste und umfangreichste Privatkollektion zur Künstlergruppe Brücke. Das Buchheim Museum hat sie langfristig als Leihgabe erhalten! Mit ihr kann das Buchheim Museum seine Samm- lung zum Thema Brücke auf über 2.000 Werke verdoppeln. Das Haus am Starnberger See kann damit seine Stellung als Hauptmuseum des deutschen Expressionismus mit Schwerpunkt Brücke im Süden Deutschlands weiter festigen. In diesem Herbst wird die Ankunft dieses Schwergewichts mit einer großen Auftaktausstellung gefeiert! Die große Vereinigungsschau »Brückenschlag: Gerlinger – Buch- heim!« mit Hauptwerken aus beiden Sammlungen wird vom 28. Oktober 2017 bis zum 25. Februar 2018 zu sehen sein. Auch danach werden die wichtigsten Werke der Sammlung Hermann Gerlinger den großen Expressionistensaal des Buchheim Museums bereichern.
"Es rührt sich was!" im Buchheim Museum
„es rüht sich etwas“

Museumsgründer Lothar-Günther Buchheim wollte immer ein Museum, in dem sich „etwas rührt“.
Damit meinte er nicht nur, dass Menschen ins Haus strömen sollten. Über 70.000 sind es bereits in diesem Jahr. Auch in Sachen Kunst sollte es in Bewegung bleiben. 1986, als gerade der Versuch gescheitert war, sein Museum der Phantasie in Duisburg anzusiedeln, erklärte er sehr genau, wie er sich das vorstellte: „Das ganze Duisburger Unternehmen war ja nicht als starre Präsentation eines Kunstschatzes, sondern eben — und da kann ich mich nicht genug wiederholen — als ‚leben- diges Museum‘ von mir gedacht. Lebendig“, so Buchheim weiter, „heißt eben auch wachsend ... Meine Sammlung sollte in Duisburg nicht einen Endzustand markieren, sondern sie sollte den An- fang machen.“
Diesem Diktum fühlt sich das Buchheim Museum nach wie vor verpflichtet: Die Sammlung soll wachsen! Im Mittelpunkt steht die historische Sammlung Buchheim. Aber nur durch Konfrontation mit neu Hinzukommendem können frische Sichtweisen auf die eigenen Sammlungsstücke entste- hen, und nur so kann der Blick für weitere historische oder thematische Zusammenhänge geöffnet werden. Das Buchheim Museum ist in der glücklichen Lage, dass dieser Zielsetzung in jüngster Zeit durch quantitativ wie qualitativ hervorragende Hinzuwächse Rechnung getragen werden konnte.
Die Köpfe von Alexej von Jawlensky gehören zu dem Schönsten, das die Porträtkunst des Zwanzigs- ten Jahrhunderts hervorgebracht hat. Von den rund 2.000 Gemälden Jawlenskys behandeln etwa 1.500 das Thema des Gesichtes. Hierbei ist eine stilistische Entwicklung erkennbar. Bei den Bildern aus den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg ist das Abbild des Porträtierten trotz zeichenhafter Verdich- tung und farbsymbolischer Aufladung noch deutlich erkennbar. Prominentes Beispiel hierfür ist Jaw- lenskys »Kopf in Blau« aus der Sammlung des Buchheim Museums. Das 1912, im Jahr von Jawlenskys Beitritt zum Blauen Reiter, entstandene Bild zeigt den androgynen Tänzer Alexander Sacharoff.
Als Jawlensky 1914 aus Deutschland ausgewiesen wurde, zog er mit seiner Malerkollegin und Le- bensgefährtin Marianne von Werefkin zunächst nach Saint-Prex am Genfersee. In diesen Jahren mal- te er immer wieder denselben Landschaftsausschnitt, den er aus dem Fenster seines kleinen Zimmers sehen konnte. Zunächst sind die einzelnen Motive, der See, die Zypresse, das Haus, die Büsche, noch deutlich erkennbar. Doch bald verwandeln sie sich immer mehr in freie Farb- und Formelemente, die Jawlensky als Bedeutungsträger einer metaphysischen Welt ansieht. Zu dieser langen Reihe von Fensterbildern gehört auch die »Variantion« von 1916, die ebenfalls zum Bestand des Buchheim Mu- seums gehört.
Das Buchheim Museum war nun in der glücklichen Lage, dass es mit einem ebenfalls »Kopf in Blau« betitelten Gemälde ein drittes bedeutsames Bildnis Jawlenskys hinzuerwerben konnte. Der Titel weist es als den »Mystischen Köpfen« zugehörig aus. Diese Reihe, die in enger Verbindung zu den »Variationen« steht, hatte Jawlensky 1917 nach dem Umzug nach Wollishofen bei Zürich zu malen begonnen. Der Neuzuwachs entstand jedoch erst 1918, nach abermaligem Umzug nach Ascona am Lago Maggiore, wo Jawlensky bald mit der noch freier ans Werk gehenden Reihe der »Konstruktiven Köpfe« oder »Heilandsgesichter« begann. Als »Heilandsgesicht«, das Jawlensky selbst noch den »Mystischen Köpfe« zurechnete, steht unser Bild zwischen diesen beiden Reihen und ist somit exemplarisch für einen Umbruch. Nie zuvor in der Kunstgeschichte wurden Gesichter in eine derart spielerisch freie Komposition aus Flächen und Farben aufgelöst!
Das Buchheim Museum kann mit den drei Bildern in herausragender Weise Jawlenskys Schaffen in den Münchner und den Schweizer Jahren dokumentieren. Eine Fortsetzung der Porträtreihe mit »Abstrakten Köpfen«, mit denen Jawlensky ein Jahr vor seiner Rückkehr nach Deutschland 1921 be- gann, sowie die späten, in Wiesbaden in den 1930er Jahren entstandenen »Meditationen« bleibt jedoch ein Desiderat für die Sammlung des Buchheim Museums.
Jawlensky ist wohl der spannendste Porträtkünstler des 20. Jahrhunderts. Doch es gibt einen weite- ren Künstler, der ein paar Jahrzehnte später Porträts von nie gesehener Qualität geschaffen hat. Ihn gilt es noch zu entdecken: Holmead!
Geboren 1889 als Clifford Holmead Phillips in Shippensburg, Pennsylvania, gestorben 1975 in Brüssel, lebte der amerikanisch-europäische Künstler als Wanderer zwischen den Welten. Als Autodidakt entwickelte er sich zugleich zum Kritiker und zum Protagonisten der Moderne in Europa und Ameri- ka. Motive seiner anfangs noch impressionistisch, später expressionistisch geprägten Malerei sind Porträts, Landschaften, Stadtansichten und literarische Themen. Holmeads Spätwerk, um das es im Buchheim Museum in der Hauptsache geht, gleicht einem kunsthistorischen Paukenschlag. Nacheiner mehr als 50 Jahre langen künstlerischen Entwicklung, die zwei Weltkriege und einen Schlagan- fall überdauerte, entwickelte er die neue Malweise des »Shorthand Painting«. Mit einigen Spachtel- hieben brachte der greise Maler in wenigen Minuten seine Bilder zielsicher auf den Malgrund. Bei seinen grandiosen Porträts gehen abstrakter und figurativer Expressionismus eine einzigartige Syn- these ein. Der Künstler selbst nennt diese von ihm entwickelte Malweise einen »kruden Expressio- nismus«.
In der Kunsthalle Schweinfurt und dem Von der Heydt-Museum in Wuppertal wurde Holmead in jüngster Zeit euphorisch neu entdeckt. Die vom 16. Juli bis zum 3. Oktober 2017 laufende Präsentati- on im Buchheim Museum wurde aus Leihgaben zusammen gestellt. Ein guter Teil kommt aus der Sammlung von Joseph Hierling, die der Kunsthalle Schweinfurt angegliedert ist. Weitere Privatsamm- ler haben zu der Ausstellung beigetragen sowie die Museen Böttcherstraße in Bremen.
Mit seinem im Spannungsfeld zwischen Abstraktion und Figuration stehenden »kruden Expressio- nismus« steht Holmead dem im Buchheim Museum thematisierten deutschen Expressionismus nahe. Von den Brücke-Künstlern schätzte er am meisten Emil Nolde mit seinen rauschhaft der Natur nach- empfundenen Bildern, dem zeitgleich mit »Nolde. Die Grotesken« vom 23. Juli bis zum 15. Oktober 2017 die große Sommerausstellung im Buchheim Museum gewidmet ist.
Die Holmead-Schau macht Appetit auf etwas, was noch kommen wird. Das Buchheim Museum konn- te zwischenzeitlich die Zustiftung eines großen Konvoluts von Holmead-Werken erwirken, die im kommenden Jahr in einer eigenen Ausstellung zu sehen sein werden. Das Konvolut von 16 Gemälden und zahlreichen Arbeiten auf Papier stammt aus einer Stiftung, die nach dem Tod von Holmeads Frau 1998 dem Künstler zu Ehren gegründet worden war. Zu der Stiftung gehören 16 Gemälde und zahl- reiche Arbeiten auf Papier von Holmead. Diese Holmead Foundation war bislang an der Universität Bremen angegliedert. Da das Werk hier weder erforscht noch ausgestellt werden konnte, wurde nun die Auflösung der Holmead Foundation eingeleitet. Im April 2018 wird dies vollzogen sein. Die Holmead Foundation wird dann in das Buchheim Museum aufgehen. Das Werk dieser bislang noch viel zu wenig gewürdigten, besonderen Malerpersönlichkeit des 20. Jahrhunderts wird dann dauer- haft hier erforscht und gewürdigt werden – und kann im Licht des Expressionismus neu erstrahlen!
Die freilich größte Sensation ist der Zuwachs der Sammlung »Die Maler der Brücke« von Hermann- Gerlinger, die beste und umfangreichste Privatkollektion zur Künstlergruppe Brücke. Das Buchheim Museum hat sie langfristig als Leihgabe erhalten! Mit ihr kann das Buchheim Museum seine Samm- lung zum Thema Brücke auf über 2.000 Werke verdoppeln. Das Haus am Starnberger See kann damit seine Stellung als Hauptmuseum des deutschen Expressionismus mit Schwerpunkt Brücke im Süden Deutschlands weiter festigen. In diesem Herbst wird die Ankunft dieses Schwergewichts mit einer großen Auftaktausstellung gefeiert! Die große Vereinigungsschau »Brückenschlag: Gerlinger – Buch- heim!« mit Hauptwerken aus beiden Sammlungen wird vom 28. Oktober 2017 bis zum 25. Februar 2018 zu sehen sein. Auch danach werden die wichtigsten Werke der Sammlung Hermann Gerlinger den großen Expressionistensaal des Buchheim Museums bereichern.